Ich nutze den Morgen um mich im Supermarkt des kleinen Ortes und dem Eisenwarenhandel der Kooperative umzusehen. Man bekommt alles, was man hier benötigt. Immer wieder bin ich verdutzt auf Packungen deutsche Beschriftungen zu lesen. Dabei habe ich von den Herstellern noch nie gehört.
Gleich benachbart ist das Koloniehaus, welches nun ein Museum ist. Als ich es betrete, werde ich von einer jungen Dame begrüßt, die mich durch das ganze Museum führt. Der Eintritt ist kostenlos und ich der einzige Besucher. Ich erfahre viel über die harten Anfangsjahre. Mennoniten aus Russland sind über abenteuerliche Wege, zum Teil über Kanada, zum Tel über China aber auch über Deutschland hier gelandet. Der paraguayische Staat war an einer Besiedlung der grünen Hölle interessiert. Nach bereits vor den Überfahrten festgelegten Schemen wurde das Land verteilt, Bewohner Dörfern zugeteilt und sogar die technischen Namen wie Siedlung 1, Siedlung 2 etc. in klangvollere Namen wie Neuland, Rosental etc. umbenannt.
Aus dem Nichts wurde eine funktionierende Landwirtschaft erschaffen. Man arrangierte sich mit der indigenen Bevölkerung, die aus fünf Stämmen besteht. Sie boten sich als Arbeitskräfte an und funktionierte gut. Als sich dies herumsprach, zogen auch andere Indianer aus weiter entfernten Gegenden in die Region, zum Teil aus Argentinien, Bolivien und sogar Brasilien in das Zentralchaco. Dieser Massenzuzug ist mittlerweile ein Problem, da die kulturellen Unterschiede immens sind.
Die junge Dame im Museum ist eine Urenkelin eines Erstsiedlers.
Die Mennoniten leben nach dem Gleichheitsprinzip. Jeder trägt Verantwortung für die Gesellschaft, sozial wie wirtschaftlich. Es gibt einen Verwalter, der sogenannte Oberschulze. Er verwaltet alle Aktivitäten, hat aber selbst keinen wirtschaftlichen Vorteil. Stolz zeigt sie mir das „Schuldenbuch“ ihres Urgroßvaters. Ein dicker Wälzer, in dem jeder Kredit an einen Siedler und jede Rückzahlungsrate in einer erstklassigen Handschrift eingetragen ist. Keine Korrektur, keine durchgestrichenen Zahlen, perfekt.
Im Koloniehaus sind diverse Gegenstände aus der Zeit der ersten Besiedlungen zwischen 1928 und 1945 ausgestellt. Teils aus den Ländern, aus denen sie geflüchtet sind mitgebracht, teils die ersten eigenen Gegenstände aus Selbsterzeugung.
Warenhandel war eine aufwändige Sache. In Reisen von bis zu einer Woche wurden die Waren zum Kilometer 135 der Transchuca gebracht, das ist etwa 350 Kilometer entfernt. Dort wurden die Waren gegen andere Notwendigkeiten, die nicht selbst hergestellt werden konnten getauscht.
Nach diesen Erläuterungen wird auf die Uhr geschaut, es ist 12:00 Uhr und damit Mittagspause. Nun passiert nichts mehr, alles wird geschlossen. Doch neben dem Supermarkt gibt es das „Café Hindenburg“, ein Selbstbedienungsrestaurant, in dem ich für kleines Geld ein ganzes Menü bekomme.
Nun fahre ich durch Fernheim, wobei ich 25 Kilometer um den Ort Loma Plata zu erreichen. Es wird immer wärmer, die 40 Grad Marke ist bereits geknackt. Der Wind wirbelt Sand aus den trockenen Böden auf, teilweise geht die Sicht bis auf unter 10 Meter. Winderrosion ist auch für die Farmer ein hartnäckiges Problem.
Wieder in Filadelfia zurück besuche ich den Friedhof. Erwartungsgemäß sind ausnahmslos nur deutsche Namen zu finden. Die Gräber sind als Steingräber ausgeführt.
Es ist 14:00 Uhr, die Museen öffnen wieder und ich besuche das „Museum zur Verständigung der Kulturen“. Erneut erklärt mir eine junge Dame die Bemühungen, eine gemeinsames Leben mit den indigenen Völkern aufzubauen. Teilweise gelingt es, teilweise gibt es noch große Probleme.
Die beiden anderen Museen, eins zur Flora, eins zur Fauna wirken etwas angestaubt. Sie zeigen aber auf, wie lebhaft es in der „grünen Hölle“ ist.
Nun mache ich mich ein zweites Mal auf den Weg zur „Estancia Iparoma“, heute finde ich ie Zufahrt auf Anhieb. Ein landwirtschaftlicher Betrieb mit 1.200 Hektar bemüht sich zusätzlich um Fremdenverkehr. Es gibt Zimmer, einen Campground. Sogar mit einer Minigolfbahn will man sich abheben.
Marylin, die Inhaberin verabschiedet sich nach einer Einführung, dann taucht Heinz auf. Der Mann in meinem Alter sucht hier sein Glück fürs Alter und möchte noch einmal etwas neues aufbauen. Er hat schonmal zwei nagelneue Traktoren angeschafft und möchte nun eine Apartmentsiedlung um das Wasserloch bauen. Er möchte landwirtschaftlich und touristisch unterstützen. Vor allem kann er sehr viel reden!
Das wird unterbrochen, als ich zu einer Nachtwanderung aufbreche. Die Tochter der Chefin führt mich gemeinsam mit ihrem Freund durch die Dunkelheit um Tiere zu beobachten. Doch ein aufziehendes Gewitter lässt diese unsichtbar machen. So ist die Ausbeute eher klein: Mehrere Vogelspinnen, eine Zwergrehart und ein Fuchs können ausgemacht werden. Atemberaubend ist der Sternenhimmel, der in der Abgeschiedenheit phantastisch ist. Am Horizont weist Wetterleuchten darauf hin, dass ein Gewitter im Anzug ist.
In der Nacht kommt der von den Einheimischen so erhoffte Regen. Der zuvor staubige Lösboden wird zu einer klebrigen und glitschigen Masse.
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